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Der Adventskalender 2022 - [Türchen 11]

anmaro69
Goldmitglied

Hinter diesem Türchen, dem elften des diesjährigen 1-2-do Adventskalenders öffnet sich für euch eine vorweihnachtliche Geschichte der etwas anderen, recht amüsanten Art. Entdeckt habe ich sie bereits vor vielen Jahren in dem Buch "Warten auf Weihnachten", aus dem ich in der Adventszeit meinen drei damals noch kleinen Kindern jeden Abend eine der 24 Geschichten vorlesen habe.

"Warten auf Weihachten" vom Oetinger Verlag"Warten auf Weihachten" vom Oetinger Verlag

Diese eine Geschichte aus dem Buch ist uns vieren bis heute ganz besonders in Erinnerung geblieben. Bei unseren alljährlichen Besuchen des Krippenspiels in unserer Kirche trug sie stets dazu bei, dass wir uns  nur mit großer Anstrengung ein Lachen verkneifen konnten und das genau in dem Moment, in dem der Weihnachtsengel seinen Auftritt hatte und dann eines meiner Kinder leise das Wort "Batman" in unserer Richtung flüsterte. Schon war es da, das verschmitzte Schmunzeln in unseren Gesichtern, gefolgt von der Erinnerung an diese eine Geschichte und die Abende, an denen ich sie meinen Kinder im Bett liegend erzählt hatte 😊

Wie gesagt, eigentlich aus einem Buch für Kinder, aber dennoch auch für Erwachsene recht amüsant und mit einem Schmunzeln im Gesicht zu lesen. Aber lest selber.

Aus ...
Hilfe, die Herdmanns kommen

Die Herdmann-Kinder waren die schlimmsten Kinder aller Zeiten. Sie logen und klauten, rauchten Zigarren (sogar die Mädchen) und erzählten schmutzige Witze... Ralf, Eugenia, Leopold, Klaus, Olli und Hedwig - sechs magere, dünnhaarige Kinder, die sich nur dadurch voneinander unterschieden, dass sie verschieden groß waren und an verschiedenen Stellen blaue Flecke aufwiesen, die sie sich gegenseitig beigebracht hatten.

Buch Warten auf Weihnachten Die Herdmanns.jpg

Anfang Dezember wurde, wie jedes Jahr, mit den Kindern der Sonntagsschule das Krippenspiel für den Weihnachtsgottesdienst vorbereitet. Zum ersten Mal waren die Herdmanns dabei, weil der kleine Charlie ihnen erzählt hatte, da gäbe es Süßigkeiten umsonst. Charlies Mutter war die Leiterin, sie übte das Spiel mit den Kindern ein. Und Charlies große Schwester erzählt, was dabei alles passierte:

Zuerst wurden die Rollen verteilt. Zum Entsetzen aller meldeten sich Eugenia Herdmann als Maria und niemand wagte zu widersprechen, denn für diesen Fall hatte Eugenia heimlich, aber unmissverständlich schreckliche Strafen angedroht, „Und Ralf möchte der Josef sein.“ „Jawoll“, sagte Ralf.

Mutter starrte sie nur an. Es war wie in einem Kriminalfilm, wo die nette, kleine, alte, grauhaarige Dame einen doppelläufigen Revolver aus dem Handtäschchen zieht, zum Bankbeamten sagt: „Rück den Zaster raus, aber dalli!“ und man dasitzt und es einfach nicht glauben kann. Mutter konnte das hier nicht glauben.
Auch für die Weisen aus dem Morgenland meldete sich niemand außer Leopold, Klaus und Olli Herdmann.

Da stand also meine Mutter und hatte ein Krippenspiel am Hals mit lauter Herdmanns in den Hauptrollen.
Eine Herdmann und eine Hauptrolle waren noch übrig geblieben, und es bedurfte keiner besonderen Klugheit, sich auszurechnen, dass Hedwig den Verkündigungsengel spielen würde.

Normalerweise machte die erste Probe nicht mehr und nicht weniger Spaß als eine dreistündige Fahrt im Schulbus und war mit eben soviel Lärm und Gedränge verbunden. Diese Probe lief anders. Alle waren ruhig und setzten sich gleich hin, weil sie Angst hatten, es könnte ihnen sonst vielleicht entgehen, was die Herdmanns Schreckliches anstellen würden.

Sie kamen zehn Minuten zu spät und schlenderten in den Raum wie eine Bande Geächteter, die vorhat, einen Saloon leerzuschießen. Mutter sagte: „Hier kommt Familie Herdmann. Wir freuen uns, euch alle hier zu sehen.“ (Das war sicher die dickste Lüge, die je in einer Kirche laut ausgesprochen wurde.)

Eugenia lächelte - das Herdmänner-Lächeln, wie wir es nannten, dreckig und gemein -, und dann saßen sie da, fast wie Kriminelle in unseren Augen, und sie sollten nun das Edelste und Schönste darstellen, das es gab. Kein Wunder, dass alle aufgeregt waren.

Mutter fing an, die Kinder in Hirten und Engel und Herbergsgäste einzuteilen, und schon gab es die ersten Schwierigkeiten.

„Wer waren denn die Hirten?“ wollte Leopold Herdmann wissen. „Wo kamen die her?“
Olli Herdmann wusste nicht einmal, was Hirten sind.
„Was ist eigentlich eine Herberge?“ fragte Klaus.
„So was ähnliches wie ein Hotel“, erklärte ihm jemand. „Wo Leute übernachten können.“
„Was für Leute?“ fragte Klaus. „Jesus?“
„Nicht zu fassen!“ murmelte Alice.

Die Sache war eben die, dass die Herdmanns nicht das geringste von der Weihnachtsgeschichte wussten. Und Mutter sagte, es sei wohl das beste, zuerst einmal die Weihnachtsgeschichte aus der Bibel vorzulesen. Das waren langweilige Aussichten, denn die meisten von uns kannten die ganze Geschichte vorwärts und rückwärts. Sonst wurde uns immer nur gesagt, wer wir waren und wo wir zu stehen hatte.

"... Da machte sich auch Josef auf, dass er sich schätzen ließe, mit Maria, seinem vertrauten Weibe, die gesegneten Leibes war...“
„Schwanger!“, rief Ralf Herdmann.

Das verursachte ziemliche Unruhe. Die größeren Kinder begannen zu kichern und die kleineren wollten wissen, was denn so komisch war. Mutter musste mit einem Zeigestock auf den Boden klopfen. „Genug, Ralf!“ sagte sie und las weiter vor. Als Mutter vorlas, dass kein Platz in der Herberge war, fiel Eugenia die Kinnlade herunter, und sie sprang auf.

„V e r d a m m t!“ sagte sie. „Nicht mal für Jesus?“
„Na ja, also...“ erklärte Mutter. „Niemand wusste, das das Baby Jesus sein würde.“
„Sie haben gesagt, Maria wusste es“, sagte Ralf. „Warum hat sie es denen nicht gesagt?“
„Ich hätt ́s ihnen gesagt“, rief Eugenia dazwischen. „Mann, denen hätt ́ ich ́s vielleicht gesagt!“ Was war denn mit Josef los, warum hat der ́s nicht gesagt? Dass sie schwanger war und das alles.“
„Wie hieß es, wo sie das Baby reingelegt haben?“ fragte Leopold. „Diese Krippe... Ist das so  ́ne Art Bett? Warum hatten die den kein Bett im Stall?“

„Das ist es ja gerade“, sagte Mutter. „Sie hatten eben kein Bett im Stall. Also mussten Maria und Josef das nehmen, was sie dort vorfanden. Was würdest du denn tun, wenn du ein kleines Baby hättest und kein Bett, um es hineinzulegen?“

„Wir haben Hedwig in eine Schreibtischschublade gelegt“, erklärte Eugenia.
„Siehst du“, sagte Mutter und zuckte ein bisschen zusammen. „Ihr habt kein Bett für Hedwig gehabt und habt deswegen auch etwas anderes nehmen müssen.“
„Och, wir hatten schon eins“, sagte Ralf. „Aber Olli war noch drin und wollte nicht raus. Er mochte Hedwig nicht.“ Er puffte Olli in die Seite.

„Wie dem auch sei“, sagte Mutter, „Maria und Josef nahmen die Krippe. Eine Krippe ist ein hölzerner Futtertrog für Tiere.“

„Was waren denn die Bindeln?“ wollte Klaus wissen.
„Die was?“ fragte Mutter.
„Sie haben es doch vorgelesen: Sie wickelten ihn in Bindeln.“
„Windeln“, seufzte Mutter. „Früher hat man die Babys fest in große Tücher gewickelt, so dass sie nicht herumstrampeln konnten. Die Babys fühlten sich dabei behaglich und geborgen.“
„Sie meinen, sie banden es zusammen und steckten es in eine Futterkiste?“ sagte sie. „Wo blieb denn da die Jugendfürsorge?“

Die Jugendfürsorge kümmerte sich immer um die Herdmanns. Ich wette, wenn die von der Jugendfürsorge jemals Hedwig zusammengebunden in einer Schreibtischschublade gefunden hätten, so hätten sie bestimmt etwas dagegen unternommen!

„Und siehe, des Herrn Engel trat zu ihnen“, fuhr Mutter fort, „und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie, und...“

B a t m a n!“ schrie Hedwig, warf die Arme auseinander und ohrfeigte dabei das Kind neben ihr.

„Wie bitte?“ fragte Mutter. Mutter las nie Comic-Hefte.
Aus dem Dunkel der Nacht erschien Batman, der Rächer der Entrechteten.
„Ich weiß nicht, wovon du sprichst Hedwig?“, sagte Mutter. „Das ist der Engel des Herrn, der zu den Hirten auf dem Feld kommt.“
„Aus dem Nichts?“ fragte Hedwig. „Aus dem geheimnisvollen Dunkel der Nacht, ja?“
„Na ja.“ Mutter sah etwas unglücklich aus. „Gewissermaßen.“

Hedwig setzte sich wieder hin und sah sehr zufrieden aus. So, als ob das endlich ein Teil der Weihnachtsgeschichte wäre, den sie verstand.

„Da Jesus geboren war zu Bethlehem im jüdischen Lande“, las Mutter weiter, „kamen die Weisen vom Morgenlande gen Jerusalem und sprachen...“

„Was bedeutet Weisen?“ wollte Olli wissen. „Waren sie so etwas wie Lehrer?“
„Nein, du Quatschkopf“, sagte Klaus. „Das ist so was ähnliches wie der Präsident der Vereinigten Staaten.“

Mutter sah ihn überrascht und beinahe beglückt an, so wie sie geschaut hatte, als Charlie endlich das Einmaleins mit fünf auswendig konnte.
„Du bist schon ganz nahe dran, Klaus“, sagte sie. „Tatsächlich waren es Könige.“
„Jetzt aber weiter“, meuterte Eugenia. „Wahrscheinlich werden die Könige dem Wirt gründlich die Meinung sagen und das Kind aus dem Trog holen.“

„Sie fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe.“

„Was ist das für ein Zeug?“ wollte Leopold wissen.
„Kostbare Öle“, sagte Mutter, „und wohlriechende Harze.“
„Öl?!“ schrie Eugenia. „Was für ein schäbiger König bringt denn Öl als Geschenk mit“ Da kriegt man ja bei der Feuerwehr bessere Geschenke...“

Ich konnte die Herdmanns nicht verstehen. Man hätte denken können die Weihnachtsgeschichte käme direkt aus den Polizeiakten des FBI, so gingen sie mit. Sie wünschten dem Herodes ein blutiges Ende, sorgten sich um Maria, die ihr Baby in einen Futtertrog legen musste und nannten die Heiligen Drei Könige eine Bande schmutziger Spione. Und als sie die erste Probe verließen, diskutierten sie darüber, ob Josef die Herberge hätte anzünden oder ob er nun den Gastwirt über die Grenze hätte jagen sollen.

 

Solltet ihr nun an Heilig Abend ein Krippenspiel in der Kirche besuchen, nein, der Weihnachtsengel ist NICHT Batman. Lasst den Gedanken daran gar nicht erst aufkommen 😉 Falls er aber dennoch für einen kurzen Moment in eurem Kopf aufblitzen sollte, unterdrückt ein Lachen, um euch merkwürdige Seitenblicke von euren Banknachbarn zu ersparen 😁

In diesem Sinne:

Euch und euren Lieben noch eine schöne Adventszeit und eine frohe, gesegnete Weihnacht :weihnachtsbaum::leuchtender_Stern:

6 ANTWORTEN 6

3radfahrer
Diamantmitglied

Ich musste schmunzeln, als ich die Geschichte gelesen habe. 

Krusse
Goldmitglied

Sehr schön auch ich musste lächeln, allerdings befürchte ich das in der heutigen Zeit die Eine oder Andere Probe in der Tat so ablaufen könnte 😉😂.

 

Vielen Dank für dieses Türchen. 

chief
Diamantmitglied

Danke für das Türchen. Das war ein guter Begleiter für meinen ersten Morgenkaffee. Nach heutigen Maßstäben wären die Herdmann Kinder vermutlich die liebsten in der Nachbars.chaft. Und die, vor denen sich alle anderen fürchten, kämen nur zur Kirche, um den Klingelbeutel zu klauen und die Bänke zu beschmieren.

Rainerle
Diamantmitglied

Oder kleben sich irgendwo fest? 
Spaß beiseite.

Ein schönes Türchen. Danke Annette! 

Lissy55
Platinmitglied

Ein schönes Türchen

 

Vielen Dank, Annette 

ferdi_007
Goldmitglied

Erst jetzt dazu gekommen, das Türchen zu lesen. Danke Anette.