Teil
24
August 2020: Kästchen #03 – Fretwork
Beim Scrollen auf der Homepage von „Feinschnitt kreativ“ war ich schon vor einiger Zeit über eine Fretwork-Stiftebox gestolpert, in die ich mich spontan verliebt hatte. Leider war das Heft bereits vergriffen und auch antiquarisch nicht mehr zu bekommen, und ich wusste anfangs nicht, wie ich an die Sägevorlage herankommen sollte. Aber immerhin fand ich den Namen der Künstlerin heraus, die die Box entworfen und hergestellt hatte: Sue Mey. Und siehe da: auf ihrer Homepage kann man ihre Vorlagen kaufen.
Kauf und Download der Vorlage war kein Problem. Es gibt eine kompakte Arbeitsbeschreibung und natürlich die Vorlage selbst. Erste Bedenken stellten sich ein: War das nicht doch ein bisschen ambitioniert für meine überschaubaren Anfängersägenochtnichtsoganzkünste? So viele kleine Innenschnitte?
Ach was. Irgendwo muss Erfahrung ja herkommen, also fang ich einfach mal damit an und schraub halt meine Erwartungen an das Endergebnis vorab schonmal ein gutes Stück runter.
Frage 1: Übernehme ich die Maße?
Antwort: Vielleicht skaliere ich Vorlage vorsichtshalber mal ein bisschen hoch, dann sind die Innenschnitte nicht ganz so filigran, das sollte es zumindest ein kleines bisschen einfacher machen.
Frage 2: Was für ein Material nehme ich?
Antwort: Ahorn! Ahorn! Ich will Ahorn! Ich find Ahorn so toll! Ahorn! Ich hab da doch diesen schönen Block Muschelahorn!
Einspruch aus der Common-Sense-Ecke, kindly sponsored by Hinterkopf: Ganz sicher? Das Fretwork allein ist doch schon ein ziemlicher Hingucker, und die schöne Holzstruktur geht doch beim Fretwork zum großen Teil verloren. Wär das nicht schade drum?
Einsicht: Oh – ja schon. Stimmt. Dann kauf ich halt eine Kantel normalen Ahorn und schneide die dann auf.
Frage 3: Übernehme ich die Konstruktion?
Antwort: Jein. Die Anleitung sieht stumpfe Verleimung vor, mir würde es aber besser gefallen wenn das sichtbare Hirnholz der Seitenteile nicht so dick ist wie das Material, ich möchte die Eckverbindung daher lieber falzen. Und den Boden will ich auch nicht einfach nur komplett verdeckt einleimen, und den lose aufliegenden Deckel auch nicht komplett im Kästchenkörper verschwinden lassen, also werde ich beides in Fälze einlegen, so dass Deckel und Boden ein paar Millimeter heraus stehen. Hauptsächlich weil ich intern bezweifle dass ich das mit dem kompletten Einpassen sauber hinkriege, aber offiziell natürlich nur deswegen, weil meiner Ansicht nach dieser Aufbau dem Kästchen eine zarte Leichtigkeit verleiht (schnösliger Designer-Unteron Ende).
Ich bemühte also die große Bandsäge mit dem 20-mm-Sägeblatt, justierte den Längsanschlag und den Sägetisch so genau wie ich das halt kann, schloss den Staubsauger an (inklusive Schlauch, man ist ja lernfähig) und sägte die zuvor abgerichtete Ahornkantel in fünf je 1cm starke Brettchen auf, die anschließend noch durch den Dickenhobel geschickt wurden. Danach fiel mir dann erst auf, dass die gehobelten Flächen deutliche „Striemen“ aufwiesen. Offenbar muss ich die Hobelmesser mal ersetzen – oh juhu, das wird bestimmt ein riesiger Spaß. NICHT.
Ich hatte zu diesem Zeitpunkt nur Lust auf das Kästchen und nicht auf eine längere Auseinandersetzung mit dem Hobel, also beließ ich die Striemen wo sie waren und machte eine mentale Notiz, dass am Ende größere Schleifarbeiten nötig sein würden als ursprünglich geplant, entschied aber dass dies das geringere Übel sei.
Ich legte zwei Brettchen die das gleiche Muster bekommen würden übereinander, vergrößerte die Sägevorlage (oh, durch das Abrichten ist die Kantel ja etwas kleiner geworden, das wird jetzt alles ein bisschen knapp), umwickelte die Brettchen mit Malerkrepp, klebte mit Klebstift die Sägevorlage drauf und umwickelte den Stapel dann mit durchsichtigem Klebeband. Dann auf zum Bohrständer, um für jeden der gefühlten 200 Innenschnitte ein Bohrloch zu setzen. Hegner auf die Werkbank setzen, mit Leisten und Spannelementen möglichst fest auf der Werkbank verankern, Lupenlampe nach vorn ziehen, Sägeblatt einspannen, los geht’s.
Natürlich war meine Sägearbeit noch vergleichsweise ungeübt und ungeschickt, und ich wechselte nach kurzer Zeit auch vom Hegner-Sägeblatt auf ein Pégas-Blatt mit Gegenzahn. Außerdem war die Befestigung der Maschine auf der Werkbank zwar ganz gut aber nicht optimal, und ich hatte öfters Schwierigkeiten alles richtig zu erkennen. Im Großen und Ganzen klappte es ganz gut, aber diese kleinen Innenschnitte waren wie schon befürchtet etwas schwierig, und ich bekam häufig keine glatte Linienführung hin. Das Ergebnis war dementsprechend „naja“, und es war klar dass ich die Innenschnitte komplett würde nachschleifen müssen.
Das war eine mühsame und langwierige Arbeit, die weder mein Rücken noch meine Augen noch mein Handgelenk irgendwie erstrebenswert fanden. Ich verbrachte sicherlich ein paar Stunden damit, mit dünnsten Schleifpapierstreifen die Hubbel, Ecken und Kanten der Schnittflächen soweit es ging zu glätten. Das Ergebnis rutschte von „naja“ anderhalb Stufen höher auf die Ebene „ganz okay“.
Danach schob ich alle zu fälzenden Teile vorsichtig über den Frästisch und merkte ganz schnell, dass das Fräsen von kleinen Teilen sehr viel schwieriger ist als mal eben eine Regalseite zu fälzen. Ich baute rasch einen neuen Vorsatz für den Anschlag, mit einer möglichst kleinen Öffnung, und nutzte beide Andruckfedern, und trotzdem hat es mir ein paar mal das Werkstück fast aus der Hand gehauen. Es gab zum Glück nur kleine Schäden und keinen Totalverlust, aber irgendwann muss ich mir für die Kleinteilbearbeitung mal was überlegen.
Nun ging's ans Schleifen der Oberflächen. Hier tat mir mein Billig-Bandschleifer mit seinen inzwischen 6 Schleifblättern verschiedener Körnung gute Dienste. Kopfüber auf den Bohrständer montiert, Staubsauger angeschlossen, auch den Schlauch (man ist ja lernfähig), ein Stündchen schleifen – fertig. Zwei lange Seitenteile, zwei kurze Seitenteile, ein Deckel, ein Boden, ein Griff, alles schön seidig glatt. Sieht doch ganz gut aus.
Danach erst tauchte mit reichlich Verspätung eine weitere Frage auf, die offenbar wegen Stau auf der A3 erst jetzt im Raum stand:
Frage 4: Welche Oberflächenbehandlung?
Antwort: Öl natürlich – wieso?
Kritische Rückfrage: Bei Öl muss man doch nach dem Ölen den Überstand abnehmen – kannst du mir mal sagen wie du das bei den ganzen Innenschnitten machen willst?
Antwort: Ömm …
Da wusste ich dann erstmal nicht weiter. Öl ging ja offenbar nicht wegen der vielen Innenkanten, die ich unmöglich abwischen konnte. Wachs hätte ich nicht in die kleinen Öffnungen hineinwischen können. Ich stellte die Frage ins Dekupiersägeforum und erfuhr, dass die meisten doch Öl nahmen, wahlweise gepinselt oder komplett getaucht, und den Überstand dann mit Pressluft ausbliesen. Ich hab aber keinen Kompressor und keine Druckluft in der Werkstatt. Was tun?
Ich klebte sämtliche Leimflächen mit PVC-Band-Streifchen ab, füllte das Grabbelfach einer alten Kunststoff-Kleinteilaufbewahrung mit Wasserlack, tauchte die Teile einzeln hinein und ließ sie dann auf schraubenbewehrten Holzleisten mit reichlich untergelegter Pappe abtropfen. Das müsste doch funktionieren.
Mein Verhältnis zu Radio Eriwan ist ein gutes und langjähriges. Also: Im Prinzip ja. Aber an den Unterseiten bilden sich dann halt Nasen, und aus den ganz kleinen Bohrungen und Innenschnitten läuft der Lack auch gerne nicht ganz raus sondern bildet kleine Pfropfen.
Nochmal Innenschnitte nacharbeiten. Na super.
Das Ergebnis ist „soso-lala“. Allzu genau darf da keiner hinschauen. Aber blicken wir einfach mal nach vorne: Da wartet der Zusammenbau auf uns. Irre ich mich, oder grinst er fies …?
Ich wollte die Verleimung diesmal vorausschauend und mit Bedacht angehen. Will ich eigentlich immer. Keine Ahnung was immer dazwischenkommt. Ich machte also einen Trockenversuch mit dem Ziel, Zahl und Anordnung der Schraubzwingen schon vorab festzulegen. Hier zusammendrücken, da zusammendrücken, hier oben auch, Leim an alle Fälze – ach nee, vielleicht erstmal nur die Seitenteile verleimen, mit lose eingelegtem Boden und Deckel, und den Boden erst danach verleimen, dann kommen sich die Zwingen nicht so in die Quere. Okay.
Warum ich dann doch alle Verbindungsfälze mit Leim bestrichen habe, auch den Bodenfalz, kann ich wirklich nicht erklären. Ich verzwingte die Seitenteile mit eingelegtem Boden zu meiner Zufriedenheit – der Boden muss ja nicht gerade im Falz sitzen, der wird ja später erst verleimt und soll im Moment nur für die richtige Ausrichtung der Seitenteile sorgen. Nach etwa 2 Stunden nahm ich die Zwingen ab und wollte den Boden rausnehmen. Geht nicht? Komisch. Ist da irgendwie Leim in den Fa … f*+-''.-*~ck!
Schimpfen und Haareraufen blieb zwecklos. Dann ist der Boden halt jetzt ein bisschen schief drin. Sooo doll fällt's ja vielleicht nicht auf.
So steht das Kästchen nun also neben dem Gestockte-Buche-mit-Schiebedeckel-Kästchen und sieht eigentlich ganz hübsch aus. Man darf halt nur nicht zu nah ran gehen.