Janinez:
Ich gehe auch nicht oft zu meiner Mama auf den Friedhof,denn ich habe das Gefühl, das was da von ihr beerdigt wurde, ist sie nicht, aber zu Hause ist sie immer gegenwärtig
Ja, und das tut einfach unglaublich weh emoticon.sad_smile.title
Wir hatten damals geraden eben noch zusammen Fernsehen geschaut, "Ups... die Pannenschau". Ich weiß heute noch die Quizfrage, mit der man 500 Euro gewinnen konnte. Es wurde eine Türklinke gezeigt und gefragt ob das a) ein Atomkraftwerk oder b) eine Türklinke sei, worüber sich unsere Kinder kringelig gelacht hatten. Das war zwischen 20:15 und 21:15 Uhr, eine Uhrzeit, in der die drei (damals 12, 11 und der jüngste gerade seit einer Woche 6 Jahre alt) eigentlich schon längst im Bett gewesen sein sollten. Ich selber kam gerade von einem zweitägigen Seminar in Hamburg und war wegen eines Staus erst gegen 19:30 Uhr zuhause. Und weil die Atmosphäre so entspannt war, wir alle so ehrlich lachen mussten über das, was in der Sendung gezeigt worden ist, ach, lass die Kinder noch etwas aufbleiben und schickte sie erst nach der Sendung ins Bett. Weil ich den Tisch ich abräumen wollte, ging auch mein Mann schon hoch (als Bäcker musste er früh aufstehen). Außerdem kam noch eine neue Serie auf RTL, die ich unbedingt sehen wollte. Merkwürdig war, dass danach eines der Kinder nach dem anderen herunterkam, weil sie nicht schlafen konnten, woraufhin ich sie wieder nach oben geschickt habe ("Macht einfach die Augen zu, dann klappt das schon"). Dadurch hatte ich die neue Serie dann nicht wirklich verfolgen können und dachte, dann könne ich auch ins Bett gehen.
Oben mich dann leise ins Schlafzimmer geschlichen, um meinen Mann nicht zu wecken, ihn noch wieder zugedeckt, weil seine Bettdecke fast auf den Boden lag, habe ich mich nach einiger Zeit gewundert, dass er so ruhig da lag. Weil er den Fernseher zum Einschlafen immer angehabt hatte und ich irgendwann den Sender gewechselt hatte, überkam mich ein komisches Gefühl, weil er sich so gar nicht regte. Mit mal panisch hochgesprungen und ums Bett gelaufen, stellte ich fest, dass er tot war - noch selber immer wieder versucht, ihn wiederzubeleben und den Notarzt angerufen, konnten selbst der nach mehreren Rettungsversuchen nichts mehr für ihn machen. Ich mache mir schwere Vorwürfe, nicht mit meinem Mann schlafen gegangen zu sein, um direkt reagieren zu können, doch die Notärztin sagte, es sein ein Herzhinterwandinfakt gewesen und ich hätte rein gar nichts machen können, selbst dann nicht, wenn ich einen Defribrillator zur Hand gehabt hätte. Trotzdem hielt dieses "Schuldgefühl" viele Jahre an. Unsere älteste Tochter hatte das Ganze in der Nacht mitbekommen (vielleicht ist sie deswegen jetzt auch Notfallsanitäterin geworden), die anderen beiden schliefen tief und fest. Dann anschließend nicht nur seine Mutter darüber zu informieren, seine Schwestern und meine Familie, sowie am nächsten Tag unsere ganzen Mitarbeiter, war es am schlimmsten, unsere jüngste Tochter und unseren Sohn zu wecken und ihnen zu erzählen, dass deren Vater gestorben ist. Hey, gerade noch alle zusammen zu Abend gegessen und herrlich über die Fernsehsendung gelacht, war der Vater meiner Kinder und mein Mann ca. 30 Minuten später einfach tot und das, ohne jedwelcher Voranzeigen oder Erkrankungen.
Jeden den ich anrief und auch unsere 80 Mitarbeiter, die ich in den Betrieb habe kommen lassen, um ihnen selber zu erzählen, was passiert sei und denen die Angst zu nehmen, ihre Arbeitsplätze könnten dadurch gefährdet sein, dachten erst, es wäre mein Vater, der gestorben sein, weil der zuvor schwer Herzkrank geworden und nach einer zweiten Herzklappen-OP selber mehr tot, als lebendig war und nach zwei Monaten Krankenhausaufenthalt gerade an dem Morgen von dort entlassen worden ist. Und anstatt das er sich in seinem Zustand bei sich Zuhause hinlegt, ließ er sich von meinem Bruder direkt aus dem Krankenhaus zu mir bringen. Mein Vater konnte nicht einmal selber laufen, so dass mein Bruder ihn ins Haus tragen musste. Ich war vollkommen perplex und fragte meinen Bruder, warum er ihn zu mir und nicht nach Hause gebracht hätte. Er sagte, dass unser Vater darauf bestanden hätte, weil er mich in diesem Moment nicht alleine lassen wolle. Dann in der Küche sitzend, sagte er unter Tränen immer wieder: "Genau, wie bei meiner Mutter. Genau, wie bei meiner Mutter. Aber Annette war auch schon immer, wie meine Mutter." Gleiches sagten hinterher auch immer wieder meine Onkel, die Brüder meines Vaters, zu mir und all den anderen, als nach und nach immer mehr Verwandte und Bekannte zu uns nach Hause kamen. Meine Oma war damals, genau wie ich, mit 39 Jahren Witwe geworden, hatte, wie ich, eine Bäckerei und Kinder, wenn auch "nur" drei, anstatt sechs. Und mein Opa war an Herzversagen gestorben, mein Mann ebenfalls. Zufall oder Schicksal?!?
Danach habe ich für mich gelernt und handhabe es, Dinge, die ich tun möchte, auch zu machen, sie nicht aufzuschieben - soweit es dann möglich ist. Einfach mal fünf gerade sein lassen, nicht immer alles übermäßig ernst zu nehmen und über Fehler einfach mal hinwegzusehen (und wenn ich mal für 2 Minuten keine Staubmaske beim Schleifen aufsetze - mein Gott, es gibt so viel schlimmere Dinge auf dieser Welt, als dass ich mich an so etwas aufreibe und viel schönere, denen ich liebe meine Zeit widme). Das Leben ist viel zu kurz, als dass man gewisse Dinge immer wieder aufschieben sollte. Irgendwann sitzen wir alle da oben auf unsere Wolke, schauen auf die Erde runter und bereuen dann evtl., gewisse und im Grunde wichtiger/sinnvollere Dinge nicht gemacht zu haben, für die wir Zeit gehabt hätten oder vielleicht mit Menschen im Streit auseinander gegangen zu sein, ohne sich zu entschuldigen oder das untereinander geklärt und aus der Welt geschafft zu haben. Meine frühere Klassenlehrerin sagte mal, als ich in der sechsten Klasse war. "Geht nie in einem Streit auseinander, denn ihr wisst nie, ob ihr den anderen am nächsten Tag weiterseht." Diesen Satz hatte ich seit dem nie vergessen. Er ist mir noch in der Nacht spontan wieder ins Gedächtnis geschossen und denke bis heute, wie gut und schön es doch war, dass wir fünf diese, seine letzte Stunde so entspannt und voller Freude und Lachen miteinander verbracht hatten. Wie viel schlimmer wäre es gewesen, wenn der Abend umgekehrt in Stress und Ermahnungen geendet wäre, weil die Kinder nicht schlafen gehen wollten o.ä. Wichtig am Ende seines Lebens ist nicht all das Materielle, was man angeschafft hat, wichtig ist es dann nur, welche Spuren man in den herzen seiner Mitmenschen hinterlassen hat. Niemand von uns kann am Ende auch nur einen Cent, sein Lieblingswerkzeug o.ä. mitnehmen, wir gehen, wie wir gekommen sind. Wir können nur etwas zurücklassen und da liegt es an jedem einzelnen, was er hinterlässt: Streit, Missgunst und die Freude andere, dass es denjenigen nicht mehr gibt, oder Momente, in denen sich andere gerne an einen erinnern und es gerne haben würden, man wäre noch bei ihnen.
In diesem Sinne:
Lasst auch mal das Hobby-Handwerken das sein, was es ist, ein Hobby und das Forum sollte auch nicht der Mittelpunkt des Lebens sein,
nehmt euch einfach dann und wann Zeit für die Menschen um euch herum, die euch wichtig und lieb sind.Dafür muss man sich auch nicht extra Urlaub für nehmen, da sind immer mal wieder ein paar Minuten, ein spontan gemeinsam verbrachter Nachmittag oder Abend viel effektiver und von dauerhafter Präsens.